Zwischen Kreuzberg und KW |
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vb - Verkehrsgeschichtliche Blätter
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Nach dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 verkehrten die S-Bahn-Züge von KW nur noch bis zum Bahnhof Friedrichstraße, der nun "Grenzbahnhof" war. Die Verkehrsströme aus den südlichen Randgebieten nach Berlin mußten kurzfristig umgelenkt werden. Bestandteil einer diesbezüglichen DR-Planung war der Bau einer zweigleisigen S-Bahn-Strecke von Schönefeld auf der Trasse des (alten) Güteraußenringes bis zur Kreuzung mit der BGE und dann weiter im Zuge des Berliner Außenringes bis Wuhlheide, wo über die von Erkner kommende S-Bahn-Strecke Anschluß zur Stadtbahn hergestellt werden sollte. Ein weiterer Ausbau nach Blankenburg/Oranienburg war in der Perspektive vorgesehen. Über die Strecke von Schönefeld sollte die Hauptmenge der dort aus den Schnellverkehrszügen in die S-Bahn umsteigenden Fahrgäste ins Stadtinnere gelangen.
Der Anschluß der neuen Strecke an die S-Bahn-Strecke KW - Stadtbahn war ursprünglich zweigleisig bis nach Adlershof vorgesehen. Später begnügte man sich mit einem eingleisigen Anschluß [3]. Infolge der räumlichen Beengtheit bestand die Bauaufgabe darin, das sich so ergebende Kurvenkreuz für die S-Bahn in das bestehende Grünauer Fernbahn-Kreuz zu integrieren sowie eine neue Schnellstraße unter den Bahnanlagen durchzuführen.
Die Arbeiten dazu begannen am 9. Oktober 1961 und zogen sich bis 1963 hin. Während des Jahres 1962 existierte dafür im Bahnhof Grünau eine Sonderbauleitung [37], [13 (1962, Nr. 34; 1963, Nr. 7)]. Um die geforderte schnelle Lösung herbeizuführen, konzentrierten sich die Arbeiten erst einmal auf den Stadtbahnanschluß der neuen Strecke über die S-Bahn von KW. Dafür waren u.a. vorerst fünf neue Brücken zu bauen. Dabei stieß man auf Widerlagerreste der Kreuzungsanlage des GAR mit der BGE aus dem Jahre 1940. Deren Beseitigung schaffte eine unangenehme Verzögerung. Während des Brückenbaus blieben beide BGE-Ferngleise nacheinander für jeweils fünf Wochen gesperrt. Sie mußten im Brückenbereich um ca. 1,50 m gehoben werden, um die Durchfahrtshöhe für die neue S-Bahn zu gewährleisten, behielten jedoch im wesentlichen ihre Lage.
Die S-Bahn-Gleise zwischen Adlershof und Grünau mußten dagegen auseinandergezogen werden, um dazwischen die neue Strecke niveaufrei einmünden lassen zu können. Der S-Bahn-Betrieb lief dabei aber ohne Unterbrechnung mit teilweise nur 10 km/h über provisorische Gleise, bis am 20. Februar 1962 das S-Bahn-Gleis Adlershof - Grünau in neuer Lage in Betrieb genommen werden konnte. Wenig später wurde am 26. Februar 1962 dann die S-Bahn nach Schönefeld eingeweiht. Die eingleisige Verbindungskurve nach Altglienicke zweigte mit den Weichen 111 und 112 in km 12,3 aus den S-Bahn-Gleisen nach und von KW ab [36]. Für die geplante zweigleisige S-Bahn von Altglienicke Richtung Wuhlheide wurden im Grünauer Kreuz nur das nördliche Widerlager und das südliche Widerlagerfundament des Uberführungsbauwerkes 6 über das Adlergestell sowie die anschließenden Dammschüttungen und zwei Brückendurchfahrten fertiggestellt. Anschließend bekam auch das S-Bahn-Gleis Grünau - Adlershof seine neue, endgültige Lage. Danach wurden diese Arbeiten eingestellt und bis heute nicht wieder aufgenommen.
Für die Stromversorgung der S-Bahn-Strecken nach Schönefeld und KW entstand im Grünauer Kreuz zunächst ein provisorisches, später ein größer dimensioniertes Unterwerk. In der Gesamtplanung, die auch die Verbreiterung des Adlergestells von Adlershof bis Grünau unter Verlegung des Ortsgüterbahnhofs Adlershof und der Straßenbahngleise für die Linie 84 auf die Westseite der BGE mit Neuordnung der dortigen Industriegleisanschlüsse vorsah, war der Bau von weiteren 15 Brücken enthalten. Davon wurde zuletzt die als Bauwerk 12 bezeichnete Hohlkastenbrücke über das Adlergestell am 6. Dezember 1964 eingerollt und am 21. Oktober 1965 dem Betrieb übergeben [23 (1965, Nr. 17)]. Der Überbau 13 für eine parallele S-Bahn-Verbindungskurve Adlershof - Wuhlheide kam nicht zur Ausführung. Damit blieb das Grünauer S-Bahn-Kreuz ein Torso.
Die Signal- und Sicherungseinrichtungen der Fern- und S-Bahn im Bereich der Kreuzung von BGE und Außenring wurden bis 1952 von dem in km 11,7 am Teltowkanal liegenden Stellwerk "Kanne" betätigt. Beim Bau des Grünauer Fernbahn-Kreuzes stand aufgrund eines Trassierungsfehlers das aus dem Erröffnungsjahr des Güteraußenringes 1940 stammende Stellwerksgebäude dem Gleisbau im Wege. Es mußte deshalb erst verkleinert, später völlig beseitigt werden [33]. Die Stellwerksanlagen verlagerte man in ein neues, nordöstlich der Gleise am Adlergestell befindliches Gebäude. Das neue Stellwerk nahm am 11. Juni 1952 unter der Bezeichnung W 20 seine Arbeit auf [13 (1952, Nr. 23)]. Das urspriinglich für den BAR errichtete Stellwerk "Grünauer Kreuz" übernahm am 16. Januar 1957 zuerst den Fernbahnteil des Stellwerks W 20 [13 (1957, Nr. 2)]. Nach Fertigstellung einer weiteren Stellwerksetage im "Grünauer Kreuz" erfolgte dort ab 22. Mai 1963 auch die Steuerung der S-Bahn-Strecken Adlershof - Altglienicke und Adlershof - Grünau [13 (1963, Nr. 13)]. Durch diese Konzentration war das Stellwerk W 20, zwischenzeitlich als Blockstelle Ags (Adlergestell) bezeichnet, entbehrlich geworden; es wurde später abgebrochen.
Ende der 80'er Jahre wurde in Altglienicke mit dem Bau neuer Wohngebiete begonnen. Dadurch erlangte die S-Bahn-Strecke nach Schönefeld eine noch größere Bedeutung, als sie bisher hatte. Man entschied deshalb, die Verbindung Adlershof - Altglienicke nun doch zweigleisig auszubauen, um zukünftig weitere Zuggruppen in der Relation Schöneweide- Schönefeld einsetzen zu können. Das zweite Gleis wurde am 20. Oktober 1986 freigegeben, und am 29. Juni 1987 wurde der zweigleisige Betrieb aufgenommen [38].
Die Konsequenz dessen ist jedoch, daß die S-Bahn-Strecke nach KW auch zukünftig die Hauptlast des Zugverkehrs nach Schönefeld zu tragen hat. Mit den vorhandenen Dämmen und Brücken im Grünauer Kreuz wäre derzeit eine S-Bahn-Verbindung Altglienicke - Wuhlheide nur noch eingleisig möglich.
7. Die weitere Entwicklung der BGE bis in die heutige Zeit
Mitte 1961 ließ die DR verkünden, daß als erster Schritt
für den zweigleisigen Ausbau der S-Bahn von Grünau bis Zeuthen
schon 1962 der Teilabschnitt Grünau - Eichwalde in Angriff genommen
würde [39]. Offenbar wurde dann aber durch den Mauerbau die
Strecke nach Schönefeld favorisiert. Gebaut wurde auch eine am
23. September 1963 eröffnete Güteranschlußbahn zum Flughafen
Schönefeld, die von Grünau aus bis zum km 15,7 parallel zu den
BGE-Gleisen liegt und dann westlich abbiegt [13 (1963, Nr.39)].
In diesem Zusammenhang mußte in die Uberführung am Südende
des Bahnhofs Grünau ein dritter Stahlüberbau eingebaut werden.
In den späten 60'er Jahren wurde das S-Bahn-Gleis zwischen Grünau und KW erneuert. Damit konnte die Kreuzungsanlage vor dem Bahnhof KW mit dem Gleis 4C am 17. Januar 1970 vorerst aufgegeben werden. Die S-Bahn-Kreuzungen wurden in den Bahnhof Zeuthen verlegt. Im Ergebnis aller dieser Maßnahmen verkürzte sich die Fahrzeit zwischen Grünau und KW [23 (1971, Nr. 17)]. Die insgesamt 6 Minuten Zeitgewinn zwischen Friedrichstraße und KW im Jahresfahrplan vom 31. Mai 1970 waren auch darauf zuriickzuführen, daß dieser "mit maschineller Rechentechnik" erarbeitet worden war [40].
Der Impuls für den jeweils zweigleisigen Ausbau der Fern- und S-Bahn-Strecke
jenseits von Grünau ksm erst Anfang der 70'er Jahre durch die vorgesehene
Fernbahnelektrifizierung der BGE. Die bereits 1945 für vier Gleiee
vorbereitete Trasse bis KW war
nunmehr 2 1/2 Jahrzehnte mit nur zwei Gleisen belegt gewesen. Die Bauarbeiten
begannen 1973 mit der Verschwenkung des bestehenden einen Ferngleises in
die endgültige Lage. 1978 war dann die Baufreiheit auch für das
zweite S-Bahn-Gleis hergestellt. Auf dem eben verlaufenden Streckenteil
waren nur wenige Kunstbauten erforderlich, so zwei weitere Überbauten
am Bahnhof Grünau und eine Erweiterung des Durchlasses für den
Selchower Flutgraben zwischen Eichwalde und Zeuthen. Die Inbetriebnahme
der zweiten Gleise erfolgte abschnittweise (Tabelle 3).
Tabelle 3 Inbetriebnshmedaten für die
zweiten Gleise zwischen Grünau und KW [38]
Abschnitt |
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Grünau - Eichwalde |
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Eichwalde - Zeuthen |
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Zeuthen - Wildau |
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Wildau - KW |
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Ab 17. Dezember 1979 verkehrte im Berufsverkehr die Zuggruppe N von Bernau über Grünau hinaus bis Zeuthen [38]. Am 20-Minuten-Verkehr nach KW änderte sich nichts.
Indem in Wildau eine neue zweigleisige Trasse für die Fernbahn unter Inanspruchnahme von Geländeteilen des Schwermaschinenwerkes geschaffen wurde, ist seitdem die westliche Bahnsteigkante in Wildau frei und somit der Weg für eine zweigleisige Weiterführung der S-Bahn bis hierher geebnet. Sinn hätte aber sicher nur ein zweigleisiger Ausbau durchgängig bis KW. Eine über die Bahnanlagen bei KW schon vor längerer Zeit im Rohbau fertiggestellte Straßenbrücke bietet zwar Raum für zwei S-Bahn-Gleise; der Bahnhofsbereich von KW bleibt jedoch ein Engpaß.
Mit der Zentralen Oberbauerneuerung (ZOE) der BGE-Ferngleise von der
Ringbahn bis Grünau in den Jahren 1976 bis 1983 war eine weitere Voraussetzung
für die Einführung des elektrischen Fernbahnbetriebes gegeben.
Größere Arbeiten standen noch an mit der Sanierung einer Reihe
von Briicken. Das Bauwerk für die Anbindung der Spindlersfelder Strecke
an die Ferngleise der BGE wurde ersatzlos abgebaut. Die baufälligen
Brücken sanierte man in Stahl- oder Spannbetonbauweise (Tabelle 4).
Tabelle 4 Sanierung von Brückenbauwerken
der BGE [38]
Briicke | Baustoff |
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Kreuzungsbauwerk Treptow | Spannbeton |
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Unterführung Puderstraße | Spannbeton | . |
Unterführung Karpfenteichstraße | . | . |
Unterführung Dammweg | . |
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Unterführung Rixdorfer Straße | . |
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Unterführung Zuführungsgleis Ortsgüterbahnhof Schöneweide | Spannbeton | . |
Fußgängerbrücke Betriebsbahnhof Schöneweide | Stahl |
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Unterführung Rudower Chaussee | Stahl |
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Unterführung Verbindungsgleis Schöneweide - Wendenheide | Spannbeton |
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Die beiden Teltowkanalbrücken und das Kreuzungsbauwerk mit der seit August 1961 stillgelegten Zweigstrecke Baumschulenweg - Neukölln wurden nicht umgebaut, Nachdem dort seit Jahren eine Langsamfahrstelle für die Fernbahn besteht, hielt sich hartnäckig das Gerücht, daß das Bauwerk zugunsten einer Dammschüttung aufgegeben würde. Glücklicherweise blieb die Brücke erhalten. Damit wird die Wiederaufnahme des Betriebes nach Neukölln wahrscheinlicher.
Erhebliche Konsequenzen hatte der Umbau des Kreuzungsbauwerkes in Treptow. Das deswegen aufgegebene ehemalige Streckengleis der BGE zum Görlitzer Bahnhof, welches bis zum Mai 1976 noch für Überführungen zu den Anschlüssen an der Elsenstreße gedient hatte, hätte zwar an der Westseite des Bahndamms neu eingebunden werden können. Heute besteht dazu aber keine Notwendigkeit mehr. Sehr unerfreulich ist jedoch, dsß dem Umbau auch Brücken und Dämme der Ringbahn im Kreuzungsbereich zum Opfer fielen. Dieses Manko dürfte die Wiederaufnahme des Verkehrs zwischen Treptower Park und Neukölln erheblich verzögern.
Eine weitere Vorbedingung für die Einführung des elektrischen Fernbahnbetriebes war die galvanische Entkopplung der Fern- und S-Bahn-Gleise und damit die Verstärkung der S-Bahn-Stromspeisung. Ein seit den 60'er Jahren auf einem Gleisrest in Baumschulenweg stationiertes fahrbares Unterwerk älterer Bauart wurde am 12. Dezember 1984 durch ein ortsfestes in unmittelbarer Nähe ersetzt. Der ausgediente Veteran ließ sich nach seiner Außerbetriebsetzung absolut nicht mehr bewegen, so daß er an Ort und Stelle zerlegt werden mußte. Ein weiteres Unterwerk entstand 1987 nahe dem Bahnhof KW.
Das Bahnbetriebswerk Schöneweide rüstete man Anfang der 80'er
Jahre für den elektrischen Betrieb um. Ab Fahrplanwechsel 1984/85
wurden dort die ersten E-Loks stationiert. Noch vor der ersten Fahrt elektrischer
Fernzüge mußten die selbsttätigen Signalanlagen der S-Bahn
(Sv-Signale) zwischen der Ringbahn und Schöneweide auf ein mit der
Fernbahnelektrifizierung verträgliches System umgestellt werden. Zum
Einbau gelangte hier wie schon bei anderen elektrifizierten Strecken der
Automatische Streckenblock AB 70. Im Mai/Juni 1984 waren die Arbeiten hierzu
zwischen Plänterwald und Schöneweide abgeschlossen [38]. Der
elektrische Fernbahnbetrieb auf der BGE wurde abschnittsweise aufgenommen
(Tabelle 5).
Tabelle 5 Aufnahme des elektrischen Betriebes
zwischen Berlin und KW [38]
Streckenabschnitt |
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Grünau - Schöneweide |
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Grünau - KW |
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KW - Hafenbahn |
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Sch”neweide - Frankfurter Allee |
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Am 1. Juni 1985 erhielt aus diesem Anlaß der Fernbahnsteig in Schöneweide die seinerzeit obligate Marmortafel. Möge sie als ein Beispiel sozislistischer Vergangenheit die Zeiten überdauern.
Mit dem Abschluß der Elektrifizierungsarbeiten auf dem Berliner Innenring ist es seit 15. September 1990 möglich, von der BGE auf zwei Wegen durch Berlin - auf dem Außen- und dem Innenring - elektrisch nach dem Norden Deutschlands zu fahren.
Der Betrieb der S-Bahn auf der BGE wurde ab 1. April 1966 mit der Einführung des Einmannbetriebes rationalisiert [41]. Ein wesentlicher Markstein seit der Einführung des EMB bei der S-Bahn war die Inbetriebnahme einer neuen Zuggeneration. So wie die Neubauwagen von 1959 nur in Erkner stationiert waren, wurde nun das S-Bw Grünau zur Heimstatt der als Baureihe 270 bezeichneten neuen Fahrzeuge. Am 9. September 1980 konnte die Erprobung der Prototypen mit Fahrgästen auf der BGE eingeleitet werden. Wegen der bevorzugten Fertigung von Ellok im Herstellerbetrieb LEW Hennigsdorf kam es jedoch erst Jahre später zu einer Nullserienproduktion [38].
Nach der Wende in der ehemaligen DDR und der Öffnung der Grenzen
beatand die Möglichkeit und auch die Notwendigkeit, den durchgehenden
S-Bahn-Verkehr auf der gesamten Stadtbahn wiederaufzunehmen. Die Tatsache
der gewaltigen, zwischen beiden Stadthälften hin- und herwogenden
Menschenmassen beschleunigte die dazu notwendigen Umbauarbeiten auf dem
"Grenzbahnhof" Friedrichstraße derart, daß am 2. Juli 1990,
knapp acht Monate nach dem Fall der Mauer, wieder ein Zug von Königs
Wusterhausen in den Westteil der Stadt nach Wannsee fuhr. Früh um
6.21 Uhr fand allerdings die Abfertigungszeremonie
mit Blasorchester und Reichsbahngrößen inmitten des Berufsverkehrs
wenig Beachtung [39]. Insider hatten allerdings schon einige Stunden
früher die Ruhe vor dem Sturm für ihre Eröffnungs-Archiv-Fotos
genutzt.
Noch kann der traditionelle Zuglauf Königs Wusterhausen - Falkensee
nicht wieder hergestellt werden, da u.a. zwischen Spandau West und Albrechtshof
eine Gleislücke klafft. Doch waren sicher auch die Falkenseer und
umliegende Anwohner froh, wieder "übern kurzen Weg" mit Berlin verbunden
zu sein.
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