Zwischen Kreuzberg und KW
Text-Teil 1 - (vb-bge1.htm)
vb - Verkehrsgeschichtliche Blätter 3/91
 
 

Dr. Michael Braun, Berlin

Zwischen Kreuzberg und KW
Vorortverkehr auf der Görlitzer Bahn
 

1991 jährt sich die Inbetriebnahme der Berlin-Görlitzer Eisenbahn zum 125. Mal.
Gleichzeitig ist es nun 40 Jahre her, daß die S-Bahn bis Königs Wusterhausen fährt.
In dem nachfolgenden Beitrag soll der lange und schwierige Weg vom ersten
Ferngleis bis zur modernen Schnellbahnverbindung nachvollzogen werden.
Dabei bleibt das Geschehen auf den benachbarten Ferngleisen ebenso interessant,
wie ein etwas tieferer Einblick in die Geschichte uns doch so vertrauter Bahnhöfe
an der Strecke.
 

1. Der Bau der Eisenbahnstrecke Berlin - Görlitz

Der Bau der Berlin-Görlitzer Eisenbahn (BGE) ist eng verbunden mit dem Namen Bethel Henry Strousberg. Dieser Kapitalist par excellence vollbrachte das Kunststück, dem seit 1852 bestehenden Bahnprojekt Berlin - Görlitz nach mehrjähriger Stagnation innerhalb kurzer Zeit zum Durchbruch zu verhelfen. Das ihm zugeschriebene System der Generalunternehmerschaft war an sich nicht neu, wurde jedoch beim Bau der BGE wahrscheinlich erstmals im preußischen Eisenbahnbau konsequent angewandt. Für die Kapitaldeckung bedeutete das Strousbergsche System im wesentlichen, daß nur ein geringer Teil (ca 10 %) der notwendigen Bausumme in bar vorliegen mußte. Für den Rest wurden Aktien aufgelegt. Die ausführenden Firmen wurden anstatt mit Bargeld mit solchen Aktien bezahlt, deren Wert sich an der Börse je nach Verlauf der Bautätigkeit realisierte. Mit "seinen hervorragend organisierten Planungs-, Konstruktions- und Baubüros", hier arbeitete auch der Baumeister August Orth, verfügte Strousberg über ein wichtiges Hilfsmittel [1]. Er besaß Zechen, Erzgruben, Eisen- und Stahlwerke, Maschinenfabriken, Sägewerke, Wälder und anderes.  Diese Fabrikationsstätten, auch als "Deutschlands erster großer Vertikalkonzern" bezeichnet [2], spannte er gewinnbringend in den Eisenbahnbau ein. Seine gute Kenntnis der Gesetze und ihrer Lücken und seine ausgezeichneten Beziehungen zur preußischen Ministerialbürokratie garantierten ihm zudem die Unterstützung des Staates.

Der erste Spatenstich zum Bau erfolgte am 13. April 1865 bei Treptow, einem damaligen Berliner Vorort.
Durch den Ausbruch des Preußisch - Österreichischen Krieges erfuhr der Bahnbau eine wesentliche Beschleunigung. So konnte am 13. Juni 1866 die BGE zwischen Berlin und Kottbuß (damalige Schreibweise) für den Militärverkehr eröffnet  werden.  Ab 13. September 1866 war auf dem gleichen Streckenabschnitt ein regelmäßiger, aber beschränkter Personen- und Güterverkehr zugelassen, bis am 31. Dezember 1867 die Bahn auf der Gesamtstrecke Berlin - Görlitz den regulären Verkehr aufnahm [3].

Bei der Betriebseröffnung bis Kottbus verkehrte vorerst nur ein Zugpaar, daß die 120 km lange Strecke in 6 1/2 Stunden zurück legte. Die Baukosten betrugen 10 Mio. Taler, das waren ca. 36 Mio. Mark [4].

Gleichzeitig mit der Fertigstellung der Berliner Ringbahn wurde am 17. Juli 1871 eine Verbindungsstrecke von Rixdorf (heute Neukölln) zum Görlitzer Bahnhof in Betrieb genommen, die man als Inneren Ringbahnanschluß bezeichnete. Dieses Anschlußgleis diente Überführungsfahrten zu anderen Berliner Fernbahnhöfen [5].  Spiegelbildlich zu diesem wurde ein weiteres Anschlußgleis von Treptow in Richtung Baumschulenweg angelegt, das man am 1. Oktober 1885 in Betrieb nahm. Dieses Verbindungsgleis wurde als Äußerer Ringbahnschluß bezeichnet [3].  Am 8. Juni 1896 schließlich stellte man mit einer Zweigstrecke vom Bahnhof Baumschulenweg nach Rixdorf den dritten Ringbahnschluß der BGE her [6].

Die BGE erhielt in Etappen ihr zweites Gleis (Tabelle 1).
 
Tabelle 1  Inbetriebnahmedaten des zweiten Gleises der BGE zwischen Berlin und Königs Wusterhausen [3], [4], [7]
 

Abschnitt
Inbetriebnahme
Ringbahn - Grünau
01.06.1874
Grünau - Königs Wusterhausen
17.09.1890
Königs Wusterhausen - Kottbus
1893
Görlitzer Bahnhof - Ringbahn
1894
.
Seit 1868 bestand - ebenfalls von Strousberg erbaut - eine Anschlußbahn zum Gut Diepensee, die in Grünau von der BGE abzweigte [8]. Von Niederschöneweide-Johannisthal (heute Berlin-Schöneweide) aus erbaute man später eine Zweigbahn nach Spindlersfeld, auf der am 15. November 1891 der Güterverkehr und am 1. April 1892 auch der Personenverkehr aufgenommen wurde [6].

1882, 15 Jahre nach ihrer Fertigstellung, wurde die BGE verstaatlicht und ging im preußischen Eisenbahnnetz auf. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Berlin-Görlitzer Eisenbshn mit der Abkürzung BGE auch für die weitere Zeit verwendet.
 
 

 

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 vb Verkehrsgeschichtliche Blätter 3/91, Autor: Dr. Michael Braun, Berlin